1.2 Einleitung

denker

1. Einleitung

"Ich denke schon, dass unsere Zivilgesellschaft sich überlegen muss, wenn sie dem Islam die Türen öffnet, was sie zur eigenen Identität tun soll. Der Islam achtet keine schwache, ausgelaugte Gesellschaft. Ich kenne viele Moslems, die sagen: Der Westen ist kaputt. Keine Kinder, die Ehen zerbrechen, nur noch Technik, eine verrottete Gesellschaft. Die Muslime würden ein lebendigeres Christentum auch mehr achten."

(Der steirische Diözesanbischof Kapellari zum Thema „verrottete Gesellschaft“)

Als 1744 ein Haufen landnehmender Kolonialisten den Mingostamm von Häuptling Logan überfiel und seine Familie tötete, wurde ihm bewusst, wie ernst die Lage seiner edlen Indianer geworden war. Ist unsere Situation bald auch ähnlich prekär? Hier seine wunderbare Rede, von meinem Doktorvater, Herrn Univ. Prof. Dr. Roland Girtler, dankenswerterweise zur Verfügung gestellt, aus Clark Wissler: Das Leben und Sterben der Indianer.

„Ich fordere jeden weißen Mann auf, mir zu sagen, ob er je hungrig in Logans Hütte gekommen ist und Logan ihm kein Fleisch gereicht hat; ob er je durchfroren und nackt kam und Logan ihn nicht bekleidet hat. Im ganzen Verlauf des letzten langen und blutigen Krieges saß Logan müßig in seinem Blockhaus, als Verfechter des Friedens. So groß war meine Liebe zu den Weißen, dass meine Stammesbrüder im Vorbeigehen auf mich zeigten und sagten: „Logan ist der Freund des Weißen Mannes.“ Ich hatte sogar daran gedacht, unter euch zu leben, aber dann kam das bittere Unrecht, das ein Mann, Colonel Cressap, im letzten Frühling begangen hat, als er ohne Herausforderung kaltblütig alle Verwandten Logans ermordete und nicht einmal meine Frau und Kinder verschonte. Jetzt fließt kein einziger Tropfen meines Blutes mehr in den Adern irgendeines Geschöpfes. Das hat meine Rache herausgefordert. Ich habe mich gerächt, ich habe viele getötet. Ich habe meine Rache voll ausgekostet. Um meiner Landsleute willen freue ich mich über die Strahlen des Friedens. Aber denkt nicht einen Augenblick, dass diese Freude aus der Furcht kommt. Logan hat sich noch nie gefürchtet. Er wird nie kehrtmachen um sein Leben zu retten. Wer lebt denn noch, der um Logan trauern würde. Niemand!“

Veränderungen

„Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es schon ist“ (Karl Valentin)

Stellen Sie sich vor -  geneigte Leserin, geschätzter Leser – Sie sind Entwicklungshelfer und können den Moros, einem Stamm in Westafrika, durch Ihr Eingreifen „bessere“ Lebensbedingungen schaffen. Diese Halbnomaden in der Sahelzone ziehen mit ihren Viehherden von Wasserstelle zu Wasserstelle und betreiben nebenbei etwas Hirseanbau. Es geht ihnen nicht so gut wie jenen zwanzig Prozent der Weltbevölkerung, welche über achtzig Prozent aller verfügbaren Resoursen verfügen. Bei den Moros ist die Säuglingssterblichkeit hoch, ihre Lebenserwartung ist gering und es treten auch immer wieder Hungersnöte auf. All das können Sie ändern, materielle Mittel stehen ausreichend zur Verfügung. Viele bestens ausgebildete Spezialisten haben diese Herausforderung bereits dynamisch angenommen, sie meinten es gut mit den Moros. Allerdings war das Endergebnis dieses Planspieles, es ist eine Computersimulation, immer der totale Untergang eines stolzen, an sich autarken Stammes. Jeder Eingriff in das bestehende System mit den daraus resultierenden kurz- mittel- und langfristigen Folgen kann genau hochgerechnet werden. Die Verlängerung der Lebenserwartung und die Reduktion der Säuglingssterblichkeit bedeutete ein Anwachsen der Bevölkerung, verbunden mit einem vermehrten Bedarf an Vieh und Hirse. Tiefbohrungen nach Wasser war die Folge, die Brunnen trockneten jedoch bald aus, das Vieh starb, die Felder vertrockneten. Anstehende Probleme wurden rasch gelöst, aber neue, schwerwiegendere geschaffen. Jeder Eingriff in ein System bedeutet eine Veränderung und die Schaffung nicht vorhersehbarer Risiken. Unsere Welt ist ein System interagierender Teilsysteme geworden und selbst die intelligentesten Menschen mit Computerunterstützung können die Schwierigkeiten beim Umgang mit komplexen, vernetzten Systemen nicht mehr überblicken, geschweige denn verstehen oder beherrschen. Unser Denken ist im Rahmen der Evolution anscheinend nur auf das Lösen von Problemen „ad hoc“ entwickelt worden, nicht auf mögliche Konsequenzen, welche erst später als Folgeerscheinung  des Eingriffes in bestehende Abläufe auftreten. Schwierigkeiten werden meist erst wahrgenommen, wenn der Supergau bereits unumkehrbar geworden ist. Techniker sind in ihre Erfindungen verliebt und es wird gemacht, was machbar ist, die Folgen dieser „Hexenmeisterei“ können bekanntlich unkontrollierbare Eigendynamik gewinnen. Rupert Riedl stellte fest, dass die Menschen mit dem Gehirn der „prähistorischen Zeit“ auf das Industriezeitalter losgelassen wurden. Unser Denken ist immer eingebettet in das gerade gültige Werte- und Motivsystem, deshalb werden Werte auch dem veränderbaren modischen „Mainstream“ angepasst. In Realitäten, in denen sich die Bedingungen ändern, müssen daher auch die Strategien veränderbar sein. Die Motive ihres Handelns sind bei den Moros auf die Bewältigung primärer Lebensbedürfnisse, wie essen, trinken, schlafen, Sicherheit, Fortpflanzung gerichtet. Der humanistisch orientierte, westliche Entwicklungshelfer jedoch hat die hehre Absicht, die Moros auf eine höhere Zivilisationsstufe zu heben, Computer, Handy und Missionierung inbegriffen, denn schließlich tut sich ja auch ein neuer Markt auf. „Die Logik des Misslingens“ nennt das Dieter Dörner: „In komplexen, vernetzten und dynamischen Handlungssituationen macht unser Gehirn Fehler: Wir beschäftigen uns mit ärgerlichen Knoten und sehen nicht das Netz. Wir berücksichtigen nicht, dass man in einem System nicht eine Größe allein modifizieren kann, ohne damit gleichzeitig alle anderen zu beeinflussen. Können wir daran etwas ändern?“

Die primäre Herausforderung der kommenden Jahrzehnte wird die Bewältigung solcher „Moro“- Probleme sein, denn täglich wächst die Weltbevölkerung um 213.000 Menschen! Bevölkerten 1960 noch drei Milliarden Menschen den Planeten Erde, so sind es derzeit 6,75 Milliarden und 2050 sollen es schon 9,2 Milliarden sein. Auch Österreich, die Insel der Seligen, spürt bereits die Folgen weltweiter Wanderbewegungen schmerzvoll. Jean Raspail zeigt in seiner beängstigenden Vision „Das Heerlager der Heiligen“ auf, was passiert, wenn die hungrigen Massen (Moros) wie Ameisen in die westlichen Paradiese einfallen: „Von den Philippinen, von Djakarta, Karachi, Conakry und auch von Kalkutta, aus allen diesen erstickenden Häfen der Dritten Welt erschienen weitere große Flotten in Australien, Neuseeland und Europa. Die große Völkerwanderung entrollt ihren Teppich. Und wenn man in die Vergangenheit der Menschheit blickt, so war dies sicher nicht die erste. Andere, sorgsam registrierte Kulturen, die man in unsern Museen studieren kann, haben schon das gleiche Schicksal erlitten. Aber der Mensch hört nur selten auf die Lehren der Vergangenheit…“ Im Standard wurde unter dem Titel „Weltkollaps durch Bevölkerungswachstum“ die Lösung des Problems angeboten: „Auswandern auf einen anderen Planeten und von dort auf die übervölkerte Erde blicken“.

Solch verwegene Lösungsvorschläge zu Problemen auf der Metaebene werden in diesem Buch nicht angeboten. Vielmehr geht es um einfache soziale Themen des Alltags. Speziell die Gesellschaftsfelder: Politik, Religion, fremde Kulturen, Militär und sozialer Wandel auf der Mikroebene sollen zu dialektischer Auseinandersetzung anregen und aus historischen Rückblicken sollten wir Erfahrungen sammeln. Veränderungen im Staate Österreich sind unvermeidbar, wenn unsere Heimat auch in Zukunft lebens- und liebenswert bleiben soll. Das dumme Sprichwort: „Der Klügere gibt nach“ darf nicht zur Maxime des Handelns werden, denn das würde bedeuten, dass die Dümmeren das Sagen haben. Es gibt bereits genug Menetekel, welche das Nahen der Apokalyptischen Reiter ankündigen, aber ganz leise und biedermaierhaft beginnt das Volk zu murren und zu erwachen, „ja dürfen`s das?“ Auf das die Prophezeiung aus Offenbarung 20. Kapitel nicht eintreten möge: „Die Zeit der tausend Jahre vollendet sich. Es werden die Völker von den vier Enden der Erde ausgehen, und ihre Zahl ist wie der Sand am Meer. Sie werden heraufziehen auf der Breite der Erde und das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt umringen.“

Das erste Jahrzehnt des dritten Jahrtausends steht unter intensivsten Veränderungen - sowohl in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, wie in politischen Entwicklungen. Nach der Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs in den westlichen-kapitalistischen Gesellschaften, dem Zusammenbruch der staatssozialistischen Systeme Osteuropas und der Sowjetunion steht heute das vereinte Europa den Problemen der Globalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen gegenüber. Österreich, als neutraler Kleinstaat, lag seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zwischen den östlichen und westlichen Blöcken und spielt heute, als EU-Mitglied, eine gänzlich andere Rolle auf dem Weg zu einem gesamteuropäischen Staatenbund. Diese Veränderungsprozesse verlangen eine flexible, rasche Anpassung an die neuen Situationen und beinhalten sowohl Chancen wie Risken. Bestehende traditionelle Werte werden fraglich, speziell die Lebensbereiche Arbeit und Freizeit sind großen Veränderungen unterworfen. Neue Informations- und Kommunikationstechniken, neue Formen der Automatisierung lassen den ohnehin bereits geschrumpften Anteil der Industriearbeit und Landwirtschaft weiter in Richtung Dienstleistungsarbeit kleiner werden, aber auch Rationalisierungen im Dienstleistungsbereich, sowie weltweite Verlagerung von geringqualifizierter Arbeit in Billiglohnländer lassen weite Teile der Bevölkerung skeptisch bis pessimistisch die Zukunft beurteilen. Wie haben sich nun in Österreich selbst die Einstellungsmuster unter den historischen und wirtschaftlichen Veränderungen gewandelt? Der Grazer Soziologe Haller stellt die Frage provokant: „Haben sie sich angesichts einer dramatisch umstrukturierten Umwelt verändert? Und wenn ja - vollzog sich dieser Wandel ähnlich dramatisch wie dies die europäische oder die globale Umgebung nahe legt? Oder kann von Änderungen großen Stils innerhalb einer Insel konstanter Glückseligkeit gar nicht gesprochen werden?“ Beobachtungen und Messungen von Wertewandel in Österreich sind eher spärlich vorhanden. Die Statistik Austria, sowie im Auftrag von Konzernen und politischen Parteien durchgeführte, eher tagesaktuelle Thematisierungen privater Meinungsforschungsinstitute, sowie Soziale Survey Untersuchungen und die letzte Studie „Die Österreicher/-innen: Wertewandel 1990-2008“ von Friesl, Polak und Hamacher-Zuba geben Rückschlüsse auf merkbare Einstellungs- und Verhaltensänderungen im Schatten der Wirtschaftskrise und damit verbunden mit einer täglich spürbaren Verunsicherung der einheimischen Bevölkerung in Alltagssituationen. Das geringe Informationsmaterial wird von Haller mit der Inselmentalität Österreichs begründet: „Österreich bildet hingegen, als eine der wenigen europäischen Inseln der Verdrängung, kaum ernsthafte Anstrengungen aus, zu einer regelmäßigen Beobachtung von sozial relevanten Themenfeldern aus einer Querschnitts- oder aus einer Längsschnittsperspektive herauszugelangen“  Zentrale gesellschaftliche Bereiche in den Veränderungen der sozialen Werte und Einstellung bilden Arbeit, Beruf, Familie und Freizeitverhalten. „Da Arbeit und Beruf als eines der wichtigsten Mittel der gesellschaftlichen Integration gelten, kann gefolgert werden, dass Änderungen im Bereich der Arbeit, wie auch der Bedeutung Arbeit und der Arbeitsmotivation, weitreichende Folgen auch über den zentralen Bereich der Arbeitswelt hinaus haben. Thesen, wonach die Arbeit ihre zentrale Stellung heute im Vergleich zur Freizeit und anderen Lebensbereichen eingebüßt habe, konnte bereits mit den Befunden früherer Sozialen Survey Studien entgegengehalten werden, dass Arbeit und Beruf, zusammen mit dem Bereich Familie und Kinder, nach wie vor in Österreich als zentraler Lebensbereich angesehen werden“  folgert Haller. Verschoben haben sich allerdings die Ansprüche an die Arbeit. Waren in einer Studie aus dem Jahre 1986,  noch „Selbstverwirklichung und Selbstverantwortung“ wichtige Faktoren, so gilt heute, in einer Zeit wirtschaftlicher Verunsicherung, diese Priorität nicht mehr, denn Kurzarbeit und Firmenschließungen haben ein Umdenken in Richtung traditionelle Werte bewirkt. Das Resümee im Zeitvergleich bedeutet, dass von 1986 auf 2009 eine stärkere Zunahme von wieder materiellen Interessensorientierungen den nichtmaterellen  Arbeitsinhalten und sozialen Merkmalen der Arbeit gewichen ist. Es lohnt sich also, darüber nachzudenken, warum verlorene, traditionelle Werte wieder auftauchten und warum Werte, welche zu ungehemmter materieller Raffgier führten, derzeit sogar verteufelt werden. Die Entwicklung nach  dem verlorenen Krieg war gekennzeichnet vom Wiederaufbau. Ein ungeheurer Nachholbedarf an allen Gütern führte zu einer gigantischen Ausweitung der Produktion und zu nie für möglich gehaltenem Wohlstand. Jetzt ist diese Nachholphase abgeschlossen, geblieben sind industrielle Überkapazitäten und ein pessimistischer Zukunftsglaube, fixiert auf das Wirtschaftswachstum vergangener Jahre. Noch nie war unsere Gesellschaft so reich wie heute, und doch gibt es Zukunftsängste - das Problem der Arbeitslosigkeit beschäftigt zur Zeit nicht nur Politiker und Medien, das Thema  betrifft alle Staatsbürger. Als Folge mancher Überschätzung von weiterer ungehemmter Aufwärtsentwicklung sind in Österreich die Staatsschulden angewachsen und Sozialsysteme ausgedünnt worden. Kurzfristige Lösungen, bedingt durch kurzsichtige politische Eingriffe, denn irgendeine Wahl ist immer zu schlagen, verhinderten vernunftgesteuerte langfristig zufrieden stellende Problemlösungen. Der Bereich „Wertewandel“ ist ein Kernbereich der Soziologie, da Veränderungen gesellschaftlicher Strukturen, Wandlungen in den Werteorientierungen der Bevölkerung, bereits im ausgehenden 19.Jahrhundert das theoretische Interesse der Begründer und Klassiker der Soziologie erweckten. Gerade heute ist das Thema von außerordentlicher Aktualität. Entwickelt sich Österreich von einer Erlebnis-, Überfluss-, ja Überdrussgesellschaft hedonistischer Individuen wieder zu einem Volk, welches sich seiner jahrtausende alten Kultur und Traditionen besinnt oder trieftet unsere Heimat Richtung „Schwächlingsgesellschaft“ in die Bedeutungslosigkeit ab? Galt Österreich doch bis vor kurzem noch als Parade-Wohlfahrtsstaat, als neutrales Land, in dem Flüchtlinge Zuflucht finden konnten, als Staat, welcher sich um Vermittlung zwischen den Blöcken bemühte. Heute wird diese Gastfreundschaft von kriminellen Mafiabanden und zügellos zuwandernden Scheinasylanten missbraucht. All diese Veränderungen werden den Bürgern schmerzlich bewusst, denn schon überlegen jene Politiker, welche alleine durch jährliche Zinsen der Staatsschuldenbelastung jedem Österreicher jährlich 2000.- Euro abverlangen, neue Steuern einzuführen. Auf Schritt und Tritt begegnet der Bürger Bettlern oder kopftuchtragenden orientalischen Frauen und in den Schulen, auf Spielplätzen, in den öffentlichen Verkehrsmitteln werden alteingesessene Österreicher daran erinnert, dass sie bald zur Minderheit im eigenen Land werden könnten. Selbstverständlich müssen solche gesellschaftliche Veränderungen zu einem Wandel der Werteorientierung führen, den alten, etablierten politischen Akteuren ist das gar nicht genehm, denn das kann nur bedeuten, dass mit dem Bewusstwerden anstehender Probleme auch neue Lösungsansätze gesucht werden müssen.