Land der goldenen Pagoden
Birma, Burma, Myanmar: Asiens Märchenwelt zwischen Mönchtum und Militärdiktatur
Welche Exotik, welche märchenhafte Zauberwelt eröffnet sich dem Reisenden in diesem wohl noch ursprünglichsten südostasiatischen Land auf den ersten Blick. Tausende goldene Pagoden sind für die tiefgläubigen Buddhisten Zufluchtsorte und stärken ihre Hoffnung im nächsten Dasein ein besseres Leben führen zu können. Ihre Religion und der weit verbreitete Aberglaube lässt sie nicht verzweifeln und trotz sichtbarer Armut immer höflich und zuvorkommenden bleiben.
Buddha gibt Halt, denn der Tod ist doch nur die Erlösung von den Leiden des Daseins und durchlittenes Leid bringt die Erleuchtung näher – und so opfern die Burmesen von ihrem spärlichen Verdienst nicht nur täglich den unzähligen Mönchen Lebensmittel, sondern auch hauchdünne Goldplättchen den prächtigen Buddhastatuen. „Schwedagon“ – alleine der Name des burmesischen Nationalheiligtums, welches acht Haare Buddhas beschützt, klingt wie ein Zauberwort und der Anblick dieser gewaltigen Pagode im Zentrum von Yangon, mit 60 Tonnen Gold und tausenden Edelsteinen gekrönt, lässt alle Besucher vor Ehrfurcht erschaudern. Doch der Glanz des Goldes trügt, es täuscht eine Pracht vor, die es im burmesischen Alltagsleben nicht gibt.
Diese Märchenwelt hat zwei Gesichter – die guten Mönche und die bösen Militärs, denn Burma ist heute nicht nur eines der zehn ärmsten Länder der Welt, sondern auch eine brutale Militärdiktatur. Diese Militärmachthaber vertrauen abergläubisch ihren Astrologen, so gibt es in Myanmar Rechtsverkehr mit rechtsgesteuerten Autos, weil vor ca. 30 Jahren dem damaligen Machthaber Ne Win prophezeit wurde, dass er auf der linken Straßenseite ums Leben kommen werde. Auch die Verlegung des Regierungssitzes von Rangun nach der völlig isolierten neuen Hauptstadt Kyappyay hat astrologische Hintergründe, verbunden mit der Angst der Machthaber vor einem Volksaufstand. Auch andere skurrile Phänomene kann der aufmerksam beobachtende Reisende feststellen, etwa englische (zensurierte) Filme mit englischen Untertiteln, keine Bankomaten, keine Handyverbindungen und keine Internetkommunikation ins Ausland, kein Fernsehempfang ausländischer Sender und eine einzige englischsprachige Zeitung „The new light of Myanmar“ mit ausschließlichen Jubelmeldungen über das regierende Regime. Bei Inlandsflügen verzichten die Burmesen auf Sicherheitskontrollen, dafür stellen sich hunderte Mopedbesitzer stundenlang um einige Liter Benzin bei den spärlich vorhandenen Tankstellen an. Gerade deshalb sollten Touristen das Land bereisen, denn die Burmesen sind begierig zu erfahren, was außerhalb ihres Landes in der Welt passiert und auch der Filmemacher Roland Wehap meint in seiner Dokumentation „Burma all inclusive“, dass der Reisende über seine Erlebnisse berichten soll, denn was in Burma geschieht – wer weiß das schon bei uns? Dazu Wehap: „Dörfer werden zerstört, Minderheiten unterdrückt, Menschen verschleppt und zur Zwangsarbeit gezwungen. Kaum jemand in Burma wagt es, kritisch über das Regime zu sprechen, zu groß ist die Angst vor Verfolgung, Folter und Haft.“ Georg Orwells „1984“ fällt einem spontan ein, doch Orwell hat in seinem lesenswerten Buch „Tage in Burma“ über seine Erfahrungen in diesem Land während der britischen Kolonialzeit geschrieben. Heute verfallen nach und nach die einst prächtigen Bauten im englischen Kolonialstil, einzig das noble Hotel „Strand“ in Yangon lädt noch in gediegener Atmosphäre zu einem Afternoon Tea very britisch ein. Dafür bietet Burma aber unglaublich interessante Sehenswürdigkeiten, wie das Weltkulturerbe der tausenden Pagoden von Bagan, den Inle-See mit den schwimmenden Gärten und den Frauen der Bergvölker auf den bunten Märkten sowie den letzten „Langhalsfrauen“. Mandalay mit den vielen Handwerksbetrieben sind genauso sehenswert wie die wunderbaren, nahezu touristenfreien Strände von Ngapli. Der schrille Kult der Nats, der Geister die die Natur beherrschen, ist weit verbreitet und ohrenbetäubende Musik sowie schrille Tänze sind im Nat – Heiligtum Mount Popa zu beobachten. Jeder interessierte Reisende wird etwas finden, was ihn fasziniert – garantiert!
Burma war lange Zeit für ausländische Besucher gesperrt und auch heute sind die Grenzgebiete im „Goldenen Dreieck“, in denen zahlreiche Rebellenarmeen der ethnischen Minderheiten gegen die herrschenden Bamar Krieg führen, nicht zu bereisen, werden dort doch auch noch tausende Tonnen Opium jährlich geerntet. Wer allerdings ein Visum hat und ein Auto mit burmesischem Chauffeur mietet, kann alle wunderbaren Plätze des Landes bereisen. Die bekannteste Reiseagentur „Sunbird Tours“ wird vom Österreicher Werner Rumpf geleitet, ehemaliger GAK-Fußballer. Wer´s noch individueller haben will, der nimmt ein öffentliches Verkehrsmittel, allerdings ohne genauen Fahrplan und so überfüllt, dass auch die Dächer der Busse voll mit geduldig ausharrenden Burmesen besetzt sind. Die Zeit scheint stillzustehen, die Langsamkeit des Reisens will gelernt sein und wer meint in Myanmar müsste etwas geschehen hat sicher recht, aber es geschieht wenig. Wasserbüffel statt Traktor, bunte Märkte statt Supermarkt, holprige Strassen statt Autobahnen und doch – es gibt sie, einige stillose Hochhäuser und Bürotürme für die geschäftstüchtigen Chinesen, welche gerade quer durch Myanmar eine neue Autobahn bauen – kerzengerade und die Mautgebühren kassieren die einzigen Verbündeten der Militärs selbst ein. Reich sind nur diejenigen, welche mit den Chinesen kooperieren, korrupt Land und Leute ausbeuten, denn eine Burmesin, welche in zehnstündiger Arbeit eintausend Zigarren drehen muss, verdient pro Tag umgerechnet einen Dollar. Doch soll Burma wirklich zu einem gesichtslosen Staat wie China verkommen?
Burma ist zweifellos eines der aufregendsten Reiseziele unseres globalisierten Planeten, das stellte wahrscheinlich auch Inge Sargent, geborene Eberhard und Tochter eines Försters aus St.Leonhard im Lavanttal fest. Sie ist die letzte lebende „Mahadevi“ – „himmlische Prinzessin“ – der Shan. Die Shan sind die größte Minderheit im Vielvölkerstaat Burma. Unverhofft Prinzessin wurde Sargent, als sie 1952 als Austauschstudentin in Colorado mit 20 Jahren ihren Kommilitonen Sao Kya Seng kennenlernte, den sie im März 1953 heiratete. Er verschwieg ihr, dass er Kronprinz der Shan ist. Erst als im Hafen von Rangun dem Schiff, auf dem das Paar nach Burma gereist war, festlich geschmückte Boote entgegenpaddelten und sie feierlich empfangen wurden, gestand Sao ihr seine wahre Identität: Er sei Prinz des Fürstentums Hsipaw. Von nun an sollte Sargent als Mahadevi in exotischem Luxus leben. Als General Ne Win am 2. März 1962 die Macht übernahm, wurde Sargents Ehemann Sao verschleppt und ermordet. Sargent konnte mit ihren Töchtern Mayari und Kennari zuerst nach Wien und dann nach Colorado flüchten, wo sie ein neues Leben begann. So verbindet Österreich und Burma eine aufregende Liebesgeschichte, welche sogar verfilmt wurde und in dem der landschaftliche und kulturelle Zauber des Landes von der brutalen politischen Wirklichkeit eingeholt wird.
Der Burmakenner Rudyard Kipling bringt den Eindruck eines jeden, der Burma bereisen will auf den Punkt: „…und es wird wie kein anderes Land sein, das du kennst.“