Barcelona

Parles catala? Barcelona ist katalanisch, nicht spanisch.

Die Bereitschaft zu Kurzurlauben nimmt im heutigen Tourismus immer mehr zu und besonders Städtereisen boomen. Ein beliebtes Wochenendziel ist in den letzten Jahren Barcelona geworden. Über drei Millionen Reisende verbucht diese reizvolle Stadt im Nordosten der Iberischen Halbinsel pro Jahr, Tendenz steigend. Die meisten Besucher kommen unvorbereitet, mit Billigflügen für einige Tage, eben typische Massentouristen und sind äußerst erstaunt, wenn sie belehrt werden, dass Barcelona keinesfalls eine spanische Stadt sei, sondern die Hauptstadt Kataloniens. Catalunya ist eine Autonome Provinz zwischen der Mittelmeerküste und den Pyrenäen. Das Europa keinesfalls ein Einheitsbrei ist, zeigt sich bereits an den Eigenständigkeiten vieler Volksgruppen innerhalb der Mitgliedsstaaten, so auch in Spanien. Aufgrund geschichtlicher und kultureller Besonderheiten gibt es in Spanien drei „historische Autonome Gemeinschaften“, nämlich das Baskenland, Galicien und Katalonien. Zweimal ergriff Katalonien die falsche Partei, nämlich im Konflikt zwischen Spanien und Frankreich Mitte des 17. Jahrhunderts und im Spanischen Erbfolgekrieg 1700-1713. Die wackeren Katalanen unterstützten den Habsburger Erzherzog Karl gegen den Bourbonen Philipp von Anjou und verloren daraufhin ihre Selbstverwaltung. Seit 1978 verfügt Katalonien wieder über eigene Befugnisse in Gesetzgebung und Verwaltung. Dieser Autonomiestatus ist so manchen Einwohnern zu wenig, sie sehen sich als eigene Nation und streben die Schaffung eines selbständigen Staates an. Bereits jetzt gibt es eine Kompromissformel, wonach die spanische Verfassung von 1978 nur „Nationalitäten“ kennt, nicht aber eine eigenständige Nation. Die sechs Millionen Katalanen beschweren sich über die träge Zentralmacht in Madrid, ihre nationale Identität ist tief verwurzelt. Das zeigt sich auch darin, dass Spanisch (Kastilisch) nur Zweitsprache ist, die Landessprache ist traditionell katalanisch. Zuwanderer aus anderen Gebieten Spaniens müssen daher die Angestammte Sprache lernen. Für den Touristen sind rebellische Bestrebungen nur Randprobleme, seine Interessen an der mediterranen Trendmetropole sind primär die weiten Strände, der alte gotische Stadtkern, die utopischen Bauwerke Gaudis sowie der reizvolle Kontrast von Tradition und Moderne. Den ersten Modernisierungsschub erlebte Barcelona 1888 anlässlich der Weltausstellung mit einem Aufbruch in den aufblühenden Jugendstil. Die Olympischen Spiele 1992 brachten dann für die Stadt eine Rundumerneuerung. Seither steigen die Wohnungspreise, wie generell in Spanien, und es stellt sich die Frage, ob auch diese Immobilienblase platzen wird. Aber auch slumartige Vorstadtsiedlungen, wie La Mina, sind ein idealer Nährboden von Kriminalität und Gewalt jeder Art. Zieht doch die Aussicht auf reiche Beute so manche international agierende Mafiabande, sowie die aus Afrika zu hunderttausenden illegal mit Booten eingesickerten Neger unterschiedlichster Stämme, magisch an. Polizei ist überall präsent, vor Kaufhäusern wachen private Sicherheitsdienste und in der ganzen Stadt gibt es Warnhinweise auf mögliche Gefahren. Taschendiebe, Drogendealer, Räuber, Hütchenspieler und falsche Fremdenführer sind nur ein kleiner Ausschnitt des alltäglichen Verbrechens in Barcelona. Aber diese Schattenkultur hat Tradition, bereits Jean Genet ließ sich hier zu seinem Buch „Tagebuch eines Diebes“ inspirieren. Gitanos (Zigeuner) und die halbseidene Welt der Huren, Gauner und Ganoven bevölkern das legendäre Hafen- und Rotlichtviertel Barri Xinon noch heute und Touristen sollten die engen Gassen und Labyrinthe solcher Bezirke unbedingt meiden. Nicht einmal eine Metrofahrt bei Nacht wird empfohlen, übrigens ist das Untergrundbahnsystem hervorragend ausgebaut. Das öffentliche Verkehrsnetz sowie etwa 11.000 Taxis garantieren einen reibungslosen und raschen Transport zu allen Punkten Barcelonas. Manche Touristen bevorzugen die offenen Doppeldeckerbusse und steigen gar nicht aus, denn von der oberen Plattform lassen sich alle Fotomotive problemlos erjagen. Dabei ist es besonders reizvoll durch die Stadt zu flanieren, kleine Geschäfte bieten alle erdenklichen Waren, auch nachts, an und die Meisterwerke des Modernismus, die UNESCO Weltkulturdenkmäler, sowie feine Museen bedürfen der erbaulichen Betrachtung. Da ist einmal die berühmt berüchtigte Flaniermeile La Rambla, mit Blumen- und Vogelmärkten, sowie dem unglaublich bunten Markt Sant Josep. Aber Achtung, in den Dichtgedrängten Menschenmassen lauern Trickdiebe und die Souvenirverkäufer, meist Pakistani, bieten ihre Sonderangebote sicher als „Made in Taiwan“ an. Der erfahrene Reisende verbirgt seine Identität am besten mit einer Lokalzeitung unterm Arm. Restaurantschlepper versuchen ihre Opfer in Touristenabzockerlokale zu zerren und die besten Lokale erkennt man daran, dass dort auch Einheimische ihre Tappaß genussvoll verzehren. Aber was wäre ein Barcelonabesuch ohne die phantastischen Bauwerke von Antoni Gaudi ausgiebig bestaunt zu haben. Exzentrische Dachlandschaften, baumstammartige Säulen sowie noch nie gesehene Formen überraschen und verblüffen den Betrachter ununterbrochen. Für das Wahrzeichen von Barcelona, den Templo de la Sagradia Familia veranschlagte der Architekt eine Bauzeit von zweihundert Jahren. Noch lange nicht fertig, ist auch dieses Kunstwerk bereits jetzt in seiner Vielfältigen Pracht nicht mehr zur Gänze erfassbar. Neben dem Picasso-Museum ist das Marine-Museum ein absolutes Muss. In den ehemaligen Werfthallen, nahe des quirligen Hafens, kann das Nachgebaute Admiralitätsschiff von Don Juan d´Austria, des Siegers in der Seeschlacht von Lepanto (1571) gegen die Türken, bewundert werden. Auch ein Ausflug zum Benediktinerkloster Montserrat, dem heiligsten Pilgerort Kataloniens, lohnt. Der Besucher kann die Schätze Barcelonas bei einem ersten Besuch nur erahnen, er sieht aber auch die Schattenseiten des Massentourismus und der ausufernden Zuwanderung und Kriminalität. Billig ist nur der Flug, jetzt auch mit Rhynair von Graz nach Barcelona in zwei Stunden möglich. Alle anderen Ausgaben liegen deutlich über dem heimischen Niveau. Aber wenn man nicht ausgeraubt wird, ist ein kultureller Ausflug nach Katalonien zweifellos jedoch eine erschwingliche und abwechslungsreiche Horizonterweiterung.