Athos

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AGION OROS: Reise zum Heiligen Berg Athos

„Verlass die Welt und komm zu uns – sagten die Mönche – bei uns findest du dein Glück“, so begann Jakob Philipp Fallmerayer Mitte des vorigen Jahrhunderts seine Reiseerzählung über den Heiligen Berg Athos. Und diesem Ruf folgen heute wieder vermehrt auch sehr viele junge Mönche. Die zwanzig Klöster, Mönchsdörfer und Einsiedeleien leben in erstarkter Spiritualität auf. 963 n. Chr. wurde das erste Kloster, die Große Lavra, gegründet und die Priestergemeinschaft wuchs auf bis zu 40.000 Mönche an, heute leben ca. 2200 Personen in der Mönchsrepublik.

Für den nicht orthodoxen Besucher ist es hingegen nicht leicht in die Mönchsrepublik im Norden Griechenlands einzureisen. Täglich dürfen nur neun männliche Besucher anderer Glaubensangehörigkeit, mit dem Schiff von Uranopolis kommend, zum Hafen Daphni fahren, um das einzigartige Abenteuer Athos zu Fuß, mit Rucksack ausgerüstet, maximal 4 Tage lang zu erleben. Bereits ein Jahr vorher ist es ratsam sich eine Einreisegenehmigung zu sichern und dann muss in Saloniki der Athospass, das Diamonitiron, gelöst werden. Damit genießt man als Gast die Möglichkeit in den Klöstern zu nächtigen und am kargen Mahl der Mönche Teil zu haben. Die langen Reisevorbereitungen ermöglichen es dem Pilger und interessierten Reisenden Abstand von der Erlebnisgesellschaft zu gewinnen und einzutauchen in eine Welt der Askese und totaler Frömmigkeit. Und es ist eine andere Welt.  Wer keine Events und Animateure braucht wird hier für kurze Zeit zu sich selbst finden können.

Auch die Uhren gehen auf dem Berg Athos anders. 12 Stunden Nacht und 12 Stunden Tag - immer ungleiche Stunden, da die Basis der Zeitberechnung der tägliche Sonnenuntergang und Sonnenaufgang ist. Bei Anbruch der Dunkelheit wird die Klosterpforte geschlossen. Der Gast muss rechtzeitig kommen. Nach dem gemeinsamen Mahl kann er an den langen meditativen Gebeten in den prachtvollen Kirchen teilnehmen, denn in der Nacht kämpfen die Athosmönche mit den Waffen des Glaubens gegen die Dämonen. Durch Liturgie und Ikonenverehrung wird der Mensch mit all seinen Sinnen eins mit der Gemeinschaft, die Mönche kennen weder Herr noch Knecht. Sehr wohl distanzieren sich die orthodoxen Mönche von Andersgläubigen, speziell im Rebellenkloster Esfighmenou. Dort kann man auf einem großen Transparent lesen „Lieber tot als nicht orthodox“. Diese Distanzierung zur Westkirche ist auch nicht ganz unbegründet. Nach der Kirchenspaltung am 16. Juli 1054 durch Papst Leo IX in Ost (Byzanz) und West (Rom) vernichteten die Christlichen Kreuzritter des 4. Kreuzzuges 1204 aus rein materiellen Motiven Byzanz. Vor 800 Jahren begann also der Untergang des Abendlandes. Die orthodoxen Christen von Byzanz erholten sich von diesem Bruderkrieg nie mehr und wurden 1453 eine Beute der eroberungslüsternen Türken. Die kulturellen Bruchlinien zwischen römischen Katholiken – orthodoxen Christen und Muselmanen waren damit gezogen. Dabei könnten sich doch alle Angehörigen der verschiedensten Religionen über die Vergänglichkeit unseres irdischen Daseins ein Beispiel an den Athosmönchen nehmen. Stirbt ein Mönch, wird es drei Jahre sarglos unter der Erde begraben, dann wieder ausgegraben, die Gebeine mit Wein gewaschen und er ruht mit seinen verstobenen Mitbrüdern anonym im Klosterkarner.

Die würdevollen, bärtigen Patres zeigen dem Pilger gerne ihre Kunstschätze. So gibt es „Wunder-Ikonen“, wie die Madonna mit den drei Händen im Serbenkloster Chilandar. Zum Glück blieben die wertvollen, unersetzlichen Gemälde vom großen Feuerinferno im Vorjahr verschont. Bedeutende Fresken findet man auch im Protaton-Kloster des Hauptortes Kariä. Besonders interessant sind die Paradiesleitern und Himmelsstiegen – die „Klimax“. Sie zeigen den schwierigen Weg nach oben. Überall lauern Höllendrachen, welche den Himmelswanderer bedrohen und in die teuflischen Abgründe reißen, wo furchterregende Dämonen den Sünder empfangen. Die Orthodoxie versucht, wie jede andere Religion, ihre Gebote durch Drohung mit Verdammnis bei sündigem Leben durchzusetzen. Der Unterschied zwischen Rom und Byzanz lässt sich theologisch vereinfacht in einen Streit der Gotteserkenntnis erklären. Die Westkirche (kataphatisch) meint bejahend, dass durch die Menschwerdung Christi und durch die Offenbarungen Rückschlüsse auf die Wesenheit Gottes gezogen werden können. Die Ostkirche (apophatisch) hingegen verneint, der Mensch als Geschaffener, kann Gott nicht erkennen. Gott ist unerforschlich.

Der Athosmönch selbst ist bescheidener, er will nur die irdische Welt überwinden, um Frieden und Freiheit für sich selbst zu finden. Wenn die Stundentrommel, das Simandron, ruft, eilt er zum gemeinschaftlichen Gebet.

Der Heilige Berg Athos, der Garten Mariens, übt in seiner Mystik eine ganz starke spirituelle Wirkung auf den Pilger aus. Die Wanderungen von Kloster zu Kloster, die Begrüßung an der Klosterpforte durch den Gastmönch mit erfrischenden Getränken und Süßigkeiten, die Intensität der Gebete und Gottesdienste, die Betrachtung üppiger Kunstschätze lassen die Hektik des Alltags allmählich verblassen und Ruhe und Gelassenheit einkehren. Es bleibt die Sehnsucht der Wiederkehr, um der weltmüden Seele erneut in der Einsamkeit Entlastung auf Zeit zu gewähren.